Das Sondergericht Köln und seine Richter

Landgericht Köln am Appellhofplatz

Feierliche Verleihung der NS- Hoheitsabzeichen an die Richter des Oberlandesgerichtes Köln am 01.10.1936. Oberlandesgerichtspräsident Bergmann links sitzend.

 

An der Spitze der regionalen Justizverwaltung im Rheinland stand der Oberlandesgerichtspräsident und ihm zugeordnet der Generalstaatsanwalt. Oberlandesgerichtspräsident war ab Oktober 1933 bis Herbst 1943 Dr.  Alexander Bergmann (geb. 1878), 1933 bereits langjähriges NSDAP- Mitglied (ANGERMUND 1990, S. 55) und förderndes Mitglied der SS. Bergmann erfährt in der Regel eine sehr milde historische Beurteilung, was sein besonderes nationalsozialistisches Engagement anbetrifft, weil er so sehr auf fachliche Qualifikation der Mitarbeiter (z.B. vernichtende dienstliche Beurteilung des Landgerichtspräsidenten Walter Müller) achtete und darin wohl unbestechlich war und weil bekannt ist, dass Gauleiter Grohé ihn nicht mochte. Bergmann hatte aber andererseits sehr wohl belegbare Kenntnis vom Euthanasieprogramm und erwartete zupackende Härte in den Urteilen und nationalsozialistische Überzeugung.

 


Generalstaatsanwalt war Paul Windhausen (geb. 1893). Er befindet sich ab 1939 aber meist im Kriegseinsatz und wird währenddessen durch seinen Stellvertreter Oberstaatsanwalt Otto Osterkamp vertreten. Windhausen (geb. 19.02.1893) ist überzeugter Nationalsozialist und Parteimitglied schon 1929, Mitglied der SA- Brigade Köln, Gauwalter und 1943  Sturmhauptführer der SS, aktives Mitglied im "Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen" bzw. dem späteren "NS- Rechtswahrerbund" (NSRB). Wenn er sein Amt wahrnahm, dann  offensiv als politisches Amt. 1943 wurde er Oberlandesgerichtspräsident in Düsseldorf. Nach 1945 ließ er sich als Rechtsanwalt nieder, zugelassen am Amtsgericht Remscheid.

Sein Stellvertreter Osterkamp stand zu Anfang unter der Beobachtung der Partei wegen früherer Ermittlungen gegen ein NSDAP- Mitglied, konnte dann aber als Vertreter von Windhausen die Partei von seiner Ergebenheit überzeugen. Er prägte das Bild des Oberlandesgerichts weitaus deutlicher als Windhausen.

 

Oberstaatsanwalt ist in der Zeit der Verurteilung von Gabriel Weber Werner Meißner, bis dahin Erster Staatsanwalt.

Oberlandesgerichtspräsident Dr. Bergmann seit Oktober 1933

Generalstaatsanwalt Paul Windhausen

 

 

Zum Oberlandesgerichtsbezirk gehörten die Landgerichte in Köln, Aachen, Koblenz, Trier und Luxemburg (Besatzungsgebiet). Das Landgericht Köln wurde von einem Landgerichtspräsidenten und einem Oberstaatsanwalt geleitet. Landgerichtspräsident in Köln wurde am 1. Dez. 1933 Walter Müller gegen alle fachlichen Bedenken (Examen nur knapp bestanden nach Wiederholung)- auf ausdrückliches Betreiben von Gauleiter Grohé. Auf seinen Rat hin war Müller 1929 der NSDAP nicht beigetreten ( allerdings mit einem Beraterstatus in juristischen Fragen bei der NSDAP), um seine richterliche Karriere in der Weimarer Republik nicht zu gefährden (Personalakte Müller, OLG Köln, zit. ANGERMUND 1990, S. 43).

 

Seine berufliche Verwendbarkeit war zumindest bei den ersten Stationen seiner Karriere in der Staatsanwaltschaft und beim Amtsgericht sehr eingeschränkt. Müller kompensierte das mit soldatischem Auftreten. Wegen seiner rüden Art erhielt er bald unrühmlichste Bekanntschaft, oft auch belacht wegen seines "albernen" Auftretens mit "Heil Hitler" und strammer Haltung auch da, wo es wenig angebracht war. Angeblich suchte er fast täglich morgens Gauleiter Josef Grohé auf und kam erst anschließend spät gegen 11.00 Uhr ins Amt. (KLEIN 1981, S. 155) Berüchtigt  ist er für seine Steuerungsversuche in Richtervorbesprechungen. Dazu später mehr.

 

 

Landgerichtspräsident Walter Müller seit 1.12.1933

 

Dr. Walter Müller (geb. 21.10.1901) war ab 1943 fast ununterbrochen im Militärdienst und zwar als Oberkriegsgerichtsrat in Frankreich. Hörige und harte Juristen wurden sowohl in Köln als auch an der Front gebraucht. Nach dem Krieg wurde er Landgerichtspräsident in Stuttgart, stand mehrfach wegen Rechtsbeugung vor Gericht, wurde aber am Schluss immer wieder mit den abenteuerlichsten Begründungen freigesprochen.

 

Dabei blieb unwidersprochen, dass Müller mehrfach in die Verfahren eingegriffen und in rüdem Ton die Todesstrafe bei durchweg geringfügigen Straftaten verlangt hat. Berüchtigt ist er für seine Einlassung in einer Richtervorbesprechung 1943, in der er, gerade zurückgekehrt vom Frühstück mit Gauleiter Grohé, von Richter Murhard (Richter auch von Maria Weber) lautstark forderte: "Die Rübe muss herunter, die Rüber muss herunter, der Gauleiter erwartet es." In einer anderen Vorbesprechung  zu einem Gruppenprozess gegen 12 Angeklagte forderte er: "Mindestens drei Rüben müssen runter!"

 

Das Landgericht Bonn verstieg sich beim Prozess wegen Rechtsbeugung gegen Müller 1953 schließlich in die Argumentation, der, dessen Rechte eigentlich verletzt worden seien, sei nicht das Recht des Richters sondern das des Gauleiters Grohé, weil man von diesem von oben mehr Todesurteile im Rheinland verlangt habe. Müller habe nur die "Interessen des Verletzten" deutlich machen wollen. (Vgl.: HERBERS, Matthias: Organisationen im Krieg. Die Justizverwaltung im Oberlandesgerichtsbezirk Köln. S.180 und 181; ausführlich zu Müller: FRIEDRICH 1983, S. 232ff.)

 

"Der Ausdruck, die Rübe müsse herunter", befand das Bonner Schwurgericht mit perfider Haarspalterei weiter, sei im Übrigen auch "nicht eindeutig". Zwar könne er "je nach dem Zusammenhang bedeuten, daß der Angeklagte einen Befehl in der Richtung erteilen wollte", aber: Das "muß" sei möglicherweise "nicht eine Notwendigkeit schlechthin" gewesen, sondern "nur eine Schlußfolgerung aus einem bestimmten Gedankengang"  (zit. SPIEGEL 39/1990).

 

Dem Landgerichtspräsidenten folgen in der Verwaltungshierarchie die Landgerichtsdirektoren (Vorsitzende Richter der einzelnen Kammern von Landgericht und Sondergericht) und die Ersten Staatsanwälte. Diesen beigordnet sind die Landgerichtsräte und die Staatsanwälte, u.a. Staatsanwalt Andrè (Anklage Gabriel Weber) und Staatsanwalt Lewerenz (Anklage Maria Weber).

 

Das Landgericht Köln hat 8  ordentliche Kammern. Am 22. März

1933 wird um 16.00 Uhr auf Weisung des Justizministeriums zusätzlich eine erste Sonderkammer (Sondergericht I) gebildet. Im Jahr 1940 werden wegen der Vielzahl der Prozesse eigene Sondergerichte bei den Landgerichten in Aachen und Koblenz geschaffen und die Zahl der Sondergerichte in Köln auf 4 erhöht:

 

  • Vorsitzender Richter des Sondergerichts I in Köln ist Dr. Loevenich und ab Anfang 1941 Landgerichtsdirektor Karl Eich.
  • Vorsitzender Richter des Sondergerichts II ist Dr. Funk.
  • Vorsitzender Richter des Sondergerichts III ist Dr. Murhard.
  • Vorsitzender Richter des Sondergerichts IV ist Dr. Sudholz.

 

 

 

Die Sondergerichte wurden auf dem Verordnungsweg gebildet, ursprünglich für die Verhandlung politischer Vergehen, in der Regel für die so genannten "Heimtückevergehen".

 

Die Sondergerichte wurden institutionell ausgestaltet in einer Dreier- Besetzung von Vorsitzendem und zwei Beisitzern mit voller Stimmberechtigung. Auswahlkriterium war für Köln ausnahmslos das entsprechende NSDAP- Parteibuch und vermutete Härte im Urteil und erhöhte Belastbarkeit.

 

Das Verfahren wurde reichsweit so geregelt, dass

  • sowohl die sonst übliche Verhandlung über die Ausstellung eines Haftbefehls
  • wie auch die gerichtliche Voruntersuchung entfiel.
  • Weder musste ein Beschluss herbeigeführt werden über die Eröffnung des Hauptverfahrens
  • noch mussten die Vernehmungsergebnisse in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommen werden.
  • Die Ladungsfrist betrug nur drei Tage und konnte auf 24 Stunden gekürzt werden.
  • Eine Beweiserhebung konnte vom Gericht abgelehnt werden, so dass das Sondergericht darauf verzichten konnte, die Beweise zu berücksichtigen, mit denen der Abgeklagte seine Unschuld zu belegen suchte (Begründung: Verwaltungsvereinfachung!!!).
  • Rechtsmittel gegen die Entscheidungen eines Sondergerichts waren nicht zulässig.

Alle genannten Verfahrensregeln verstießen gegen die bis dahin noch geltenden rechtstaatlichen Prinzipien der Weimarer Verfassung. Sie stärkten ausnahmslos Staatsanwaltschaft und Gericht. Verteidigung und Angeklagte waren die Verlierer.

 

Dass die bundesdeutsche Justiz nicht grundsätzlich alle Sondergerichtsurteile ausgesetzt hat, ist ein Skandal ersten Ranges. Hätte man dies getan, hätten Worte wie "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein" nicht fallen können. Auftrag und Ausgestaltung der Sondergerichte waren Unrecht von Beginn an.

 

1939 mit Beginn des Krieges wird die Zuständigkeit der Sondergerichte von den politischen Tatbeständen (z. B. Heimtücke) auf den größten Teil aller Straftaten ausgedehnt und der Anwendungsbereich der Todesstrafe von 2 auf 40 Tatbestände ausgedehnt. Roland Freisler, 1939 Staatssekretär im Justizministerium, gibt die klare Devise aus:

 

"Die Sondergerichte müssen immer daran denken, dass sie gewissermaßen die Panzertruppe der Rechtspflege sind. Sie müssen ebenso schnell sein wie die Panzertruppe, sie sind mit ebenso großer Kampfkraft ausgestattet. Kein Sondergericht kann sagen, dass der Gesetzgeber ihm nicht genügend Kampfkraft gegeben habe. Mehr gibt es eben gar nicht." (Schreiben des Bundesjusizministeriums an die Generalstaatsanwaltschaften vom 16.0kt. 1939)

 

 

Der Hauschronist des Kölner Gerichtswesens Adolf Klein schreibt 1981 zum Sondergericht Köln: "Erst...mit Kriegsbeginn... verbreitete das Wort 'Sondergericht' in Köln seinen ganzen Schrecken, nur noch mit den Bluttribunalen der französischen Revolution vergleichbar. Hauptsächlich einem bestimmten Richter war dies zuzuschreiben, dem Landgerichtsdirektor Karl Eich. Er und seine leider meist wenig standfesten Beisitzer fällten im Sondergericht I zahlreiche Urteile, die auch bei Berücksichtigung der Kriegsnotwendigkeiten nur als "Terrorurteile" qualifiziert werden konnten."

 

 

Das Sondergericht Köln wird bis Kriegsende ca. 19.000 Verfahren verhandeln, während des Krieges gegen rund 10.000 Personen Anklage erheben, 4.003 Verfahren wegen Kriegswirtschaftsverbrechen durchführen (vg. ZIERENBERG 2003, S. 184) und am Schluss des Krieges ungefähr 127 "ordentliche" Todesurteile gefällt haben. Nicht eingerechnet sind hier die "ordentlichen" Todesurteile der "Nacht- und Nebelaktionen" für Untersuchungshäftlinge aus den westlichen Besatzungsgebieten (z.B. Luxemburg, Belgien, Frankreich) und selbstverständlich nicht die direkten Exekutionen durch die Gestapo und durch das Militär. Deren Zahl geht in die Hunderte oder Tausende.

 

 

 

Das Richterkollegium im Prozess gegen Gabriel Weber (Sondergericht I) Eich, Voss, Gerits

 

Karl Eich (Vorsitzender)

Amtsgerichtsdirektor Karl Eich, Vorsitzender der Sondergerichts I in Köln ab 1941

Gabriel Weber muss vor das Sondergericht I, dessen Vorsitzender ein unzweifelhaft fanatischer Nationalsozialist ist und dessen Profilierungssucht die seiner Kollegen weit übertrifft: Karl Eich. Er gilt als Schrittmacher einer harten Rechtspflege und ihrer Ausrichtung an den "Kriegsnotwendigkeiten" (ROTH 2010, S. 231)

 

Eich wurde Ende 1940 Vorsitzender des Sondergerichts Köln als Nachfolger von Loevenich, dies auf ausdrücklichen Wunsch von Ministerialdirektor Crohne im Reichsjustizministerium, dem die Urteile des Dr. Loevenich in Heimtückesachen wiederholt als zu milde aufgefallen sind (Schreiben von Crohne an Generalstaatsanwalt Windhausen, zit. ANGERMUND 1990, S. 93). Herr Eich sah seinen blutigen Eifer bereits 1942 durch das Kriegsverdienstkreuz 2. Kl. ohne Schwerter belohnt." (KLEIN, S. 167)

 

Eich zeigt sich als einziger der Kölner Sondergerichtsvorsitzenden bereit, zugunsten seiner Karriere, auch die sog. "Nacht- und Nebelsachen" in seine Zuständigkeit zu nehmen. Er strebte augenscheinlich eine Berufung an den Volksgerichtshof nach Berlin an (eine entsprechende Bewerbung aus 1942 liegt in seiner Personalakte vor). "Nacht- und Nebelsachen" hießen jene Geheimverfahren gegen nichtdeutsche westliche Zivilisten aus den besetzten Gebieten, bei denen die Todesstrafe wahrscheinlich war, aber nicht so gewiss war, dass sie sofort vollzogen werden konnte. Die Gefangenen wurden bei Nacht und Nebel ins Reich gebracht, an einem geheimen Ort inhaftiert und von einem Sondergericht im Schnellverfahren abgeurteilt. Die Angehörigen erhielten keine Benachrichtigung über die Festnahme, geschweige denn die Hinrichtung. Abschiedsbriefe und Testamente der Hingerichteten wurden den Angehörigen nicht zugestellt. Von all diesen Verfahren gibt es übrigens keine Unterlagen mehr. Sie wurden durch Zeugenaussagen nach dem Krieg von den Besatzungsbehörden mühsam rekonstruiert.

Der Kölner Oberstaatsanwalt Meißner (ab 1944 in Braunschweig) wurde nach dem Krieg wegen Vernichtung der N.N.- Akten angeklagt, aber aus formalen Gründen frei gesprochen. Ob die Anklage sich auch auf die Vernichtung der Kölner Akten oder nur die Braunschweiger bezieht, konnte von uns nicht ermittelt werden.

Das Sondergericht Köln war übrigens für die französischen und luxemburgischen Gefangenen zuständig. Nachdem sich Eich im zeitigen Frühjahr kurz nach dem Erlass der entsprechenden Verordnung am 06.02.1942 für die Aburteilungen gemeldet hatte, konnte er offensichtlich schon im März kaum noch die ersten Todeskandidaten abwarten. Eich wendet sich jedenfalls am 18. März an das Justizministerium mit der Frage bzw. mit Vorschlägen, wie die Zustellung von Gefangenen zügiger geregelt werden könnte.Tatsächlich war die Durchführung des N.N.- Erlasses wegen der Geheimhaltung und zwischenbehördlicher Reibereien so komplex, dass selbst die Reichsregierung zwischendurch nicht wusste, wo die Gefangenen untergebracht waren. Er musste noch bis zum Juni warten, hatte zwischendurch aber dem Justizministerium in einer Stellungnahme zu einem Disput, ob ausländische Gefangene auch dann zum Tode verurteilt werden könnten, wenn das deutsche Strafrecht gar keine Todesstrafe vorsehe, juristisch argumentiert, "dass bei Straftaten von nichtdeutschen Zivilisten...grundsätzlich die Todesstrafe angebracht" sei. Sein Gegner in diesem Disput war übrigens Oberstaatsanwalt Werner Meißner, der darauf bestand, dass eine entsprechende Straftat vorliegen müsse. (Vgl. dazu GRUCHMANN, S. 342 online: http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1981_3.pdf  . Derselbe Meißner, der später für die Vernichtung der N.N.- Akten verantwortlich war.

 

Will man den besonderen Charakter von Eich definieren, dann ist vielleicht sein Urteil gegen einen Jugendlichen im Juni 1942 besonders aufschlussreich. Es ist überhaupt erst das zweite Urteil eines Kölner Sondergerichts auf der Grundlage der sog. Schwerverbrecherverord- nung von 1939.  Das Urteil gegen den 17 Jährigen Karl H. wegen Einbruchs lautet auf 3 Jahre Zuchthaus. Eich setzte dieses Urteil ausdrücklich gegen die Jugendfürsorge, gegen den medizinischen Dienst und gegen die Staatsanwaltschaft  (Staatsanwalt Wirtz) durch, die nur einen Jugendarrest einforderte. Der Vorgang führte gar zum Protest des Staatsanwalts (Wirtz), der das Urteil als "falsch" beeichnete und zum Protest des Generalstaatsanwalts, der das Urteil als "ungerecht" bezeichnete und entsprechend nach Berlin berichtete. Revidiert wurde das Urteil nicht.

 

 

 

Herr Eich muss nach dem Krieg lange auf seine "Rehabilitation" warten und 1952 erst einen Prozess wegen Rechtsbeugung hinter sich bringen. Er kehrt tatsächlich wegen politischer Bedenken nicht mehr ins Richteramt zurück und nutzt klug die von der Bundesregierung damals bewusst geschaffene Möglichkeit der Zurruhesetzung, genießt seine üppige ungeschmälerte Pension in Koblenz- Vallendar, seinem Geburtsort (der Vater war dort Schulrektor). Ein erneuter Prozess 1961 wegen verschiedener Terrorurteile (u.a. ein Todesurteil wegen Rasseschande) wird vom NRW- Justizministerium verhindert (siehe Perfekter Mord, dort auch die haarsträubende Begründung dieser Verfügung).

 

Eich rechtfertigte sich im Verfahren 1960 bezüglich eines Todesurteils wegen Plünderns von Kleinigkeiten mit fest denselben Worten, mit denen er das Todesurteil selbst 17 Jahre zuvor begründet hat: „Bei der Würdigung des Urteils [gegen Karl P.], insbesondere der erkannten Todesstrafe dürfen die damaligen [...] Kriegsverhältnisse [...] keinesfalls außer acht gelassen werden. Der Feind trug den Krieg ins Land, richtete unzählige Luftangriffe auf unsere Städte und brannte Häuser und ganze Straßenzüge nieder - Maßnahmen, durch die die wehrlosen Bürger dieser Städte in größte Not und bitterstes Elend gerieten. Abgesehen davon, dass Kriegszeiten Not­zeiten sind und dann das Strafrecht nicht nur in Deutschland, sondern in jedem Kulturstaat besonders harte Strafen androht, darf hier nicht übersehen werden, dass die besonderen Ver­hältnisse der feindlichen Luftangriffe mit ihren schrecklichen Folgen besonders harte Strafen bedingten und dass auch die Bevölkerung damals im ,Plündern* eines der größten Verbrechen sah. [...] Alle diese Umstände erforderten nach Auffassung des Sondergerichts damals trotz des straffreien Vorlebens des Verurteilten die Verhängung der Todesstrafe.“ (Karl Eich an OLGP Köln am 21. 07.1960, zit. DÜLFFER, S. 154)

 

Den Zynismus in der Einlassung von Karl Eich nach dem Krieg gegenüber Leo Weber "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein" mag man erst wirklich erkennen, wenn man diese Einlassung von 1960 liest. Auf diese Weise kann man leicht den Eindruck des jungen Leo Weber nachvollziehen, dass dieser Mann "ein unverbesserlicher Nazi" war. 

 

 

Dr. Heinrich Voss, Beisitzer (geb. 1904)

Landgerichtsrat Dr. Heinrich Voss

 

Am Landgericht Köln ab 01.05.1936. Dr. Heinrich Voss war wie sein Kollege Karl Eich strammer Parteigenosse (NSDAP- Mitglied ab 1927), wenn nicht sogar fanatischer Nationalsozialist. Voss  muss nach dem Krieg erst einen Prozess um den Vorwurf der Rechtsbeugung durchstehen, bevor er wieder im Justizdienst tätig werden kann, wird aber wie auch Eich frei gesprochen. Voss ist im Verfahren gegen ihn sich nicht zu schade, zu behaupten, er sei bei den Todesurteilen ständig überstimmt worden. Voss und Eich sind für zahlreiche Todesurteile verantwortlich und bilden wohl ein Tandem, das sich gegenseitig in der Kriegs- und Untergangsrhetorik verstärkte.

 


Ganz spurlos scheint die Zeit am Sondergericht in Köln selbst am "Alten Kämpfer" Heinrich Voss nicht vorbei gegangen zu sein. "Seine Krankheiten machen ihn während der Kriegszeit über Wochen und Monate dienstunfähig" (MANTHE 2013, S.240). Nach Kriegsende bis Ende der 50er Jahre meldete Voss sich übrigens kein einziges Mal mehr krank. Nebenbei: auch Karl Eich fällt im November und Dezember 1944 dienstunfähig aus wegen Herzmuskelschwäche.

 

Dr. Engelbert Gerits (geb. 19.12.1906) (Beisitzer)

Gerits ist ab 01.01. 1938 im Justizdienst und am Landgericht Köln, wird 1941 Einzelrichter der 15. Kammer des Landgerichts, zeitweise Leiter der Pressestelle. Gerits ist 1906 geboren, katholisch aufgewachsen, er gehörte bis 1933 dem Zentrum an, in die NSDAP tritt er 1933 ("Märzgefallener") ein und arbeitet dort ehrenamtlich als juristischer Berater, außerdem ab 1933 Mitglied in der SA und in anderen NS- Organisationen. In seiner dienstlichen Beurteilung vom 31. 12. 1942 heißt es, er überzeuge durch "entschlossenes Zupacken entsprechend den Erfordernissen der Volksführung und der Kriegzeit." (vgl. ROTH 2010, S. 136), galt als politisch zuverlässig (ROTH 2010, S. 713). Ab 1938 Richter am Landgericht Köln, wurde bei der Einstellung vom Justizministerium als "politisch unbedenklich" eingeordnet, bei der Entnazifizierung wurde er schlussendlich nach dem Krieg als "Mitläufer" (IV) eingestuft. Das ermöglichte ihm die Fortführung seiner Karriere zum Landgerichtsdirektor am Landgericht Köln. Hier wurde er Vorsitzender der 4. Kammer für Handelssachen. Herr Dr. Gerits war nach dem Krieg Mitglied der CDU. Dr. Gerits scheint ein typischer Karrierist gewesen zu sein, der sich den politischen Umständen anzupassen wusste.

 

Beide Beisitzer sind im Übrigen für das Todesurteil und das damit unmittelbar verbundene Unrecht genauso verantwortlich wie der Vorsitzende Richter Karl Eich, weil sie voll stimmberechtigt sind. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass das Urteil nicht einstimmig gefallen sein könnte.

 

 

Staatsanwaltschaft Köln:

Oberstaatsanwalt: Werner Meißner

Anklagender Staatsanwalt: André

 

Die Stelle des Oberstaatsanwalts besetzte 1942 der vom 18.10.1937 bis Mitte 1944 amtierende Werner Meißner (geb. 12. 06. 1888, gest. 9.Sept. 1962, Mitglied des Corps Rhenania Freiburg ). Seit dem 1. August 1944 war er als Nachfolger von Willy Rahmel  als Generalstaatsanwalt in Braunschweig tätig. Nach 1945 für 1 Monat Leiter der Justizvollzugsanstalt Wolffenbüttel, dann von den Aliierten interniert und wieder auf freien Fuß gesetzt. Der schließlich durchgeführte Prozess in Braunschweig vor einem deutschen Gericht 1947 wegen des Vernichtens aller Unterlagen zu den N.N.- Prozessen führte zum Freispruch, weil die deutsche Justiz darauf abhob, dass für die belgischen und französischen Nacht- und Nebelgefangenen formalrechtlich "keine Jurisdikation deutscher Gerichte zuständig sei" (obwohl sie tatsächlich von deutschen Gerichten abgeurteilt worden waren). Im Entnazifizierungsverfahren wurde Meißner gar als unbelastet katagorisiert.

 

 

  Werner Meißner als Corps- Student (aus Wikipedia)

 

 

Werner Meißner verfügt am 18.08.1942 das Hinrichtungsdatum und die Überstellung der Leiche an die Anatomie Bonn (siehe Spurensicherung 2014, Unterschrift Schreiben an Anatomie Bonn)

 

Staatsanwalt André ist ab dem 01.11.1929 bei der Staatsanwaltschaft Köln, verantwortet wohl als Autor die Anklageschrift gegen Weber und fordert für Gabriel Weber als Ankläger die Todesstrafe. Sonst ist nichts bekannt über ihn.

 

 

 

 


Das Richterkollegium (Sondergericht III) im Prozess gegen Maria Weber: Murhard, Philipps, Derksen

 

Dr. Karl Murhard,Vorsitzender (geb. 1896)

Landgerichtsdirektor Dr. Karl Murhard

Murhard, Kriegsbeschädigter des 1. Weltkriegs, Vorsitzender des Sondergerichts III seit dem 01.12.1941, stand 1943 erheblich unter Druck des Landgerichtspräsidenten Müller, weil wohl mehrfach verschiedene Urteile von ihm mit einer "Nichtigkeitsbeschwerde" des Justizministeriums belegt worden waren- weil zu milde. Aus den Prozessen gegen Müller ist der Fall eines im Jahre 1943 wegen Totschlags Angeklagten bekannt geworden, in dem der Vorsitzende dem Angeklagten verminderte Zurechnungsfäghigkeit zugute gehalten hatte. Müller hatte daraufhin den Landgerichtsdirektor Murhard angeschrieen: „Eine Unzurechnungsfähigkeit gibt es nicht mehr. Schluss

mit Ihnen, Sie kommen jetzt vom Sondergericht weg.“ Das war für Murhard eine wirkliche Bedrohung, verhalf die Zugehörigkeit zum Sondergericht doch durchweg zur UK-Stellung, also zur Unabkömmlichkeit hinsichtlich der Einberufung zur Wehrmacht- für Murhard scheint eine erneute Einberufung eine wahre Horrorvorstellung gewesen zu sein, wohl wegen eigener traumatischer Erfahrung aus dem 1. Weltkrieg.

 

Dr. Ferdinand Philipps, Beisitzer

Landgerichtsrat Dr. Ferdinand Philipps

Am Landgericht Köln seit 1.12.1934. In seiner dienstlichen Beurteilung vom 31.12.1942 heißt es wie bei Gerits, er überzeuge durch "entschlossenes Zupacken entsprechend den Erfordernissen der Volksführung und der Kriegszeit" (ROTH 2010, S. 136), galt als politisch zuverlässig, zeitweise auch Leiter der Pressestelle, beteiligt am berüchtigten Todesurteil gegen Paula Wöhler wegen Plünderns.

 

 

Dr. Hans Derksen, Beisitzer (geb. 1906)

 

1906 geboren, katholisch, am Landgericht Köln ab 01.08.1939.  1940 und 1942 Einzelrichter der 13. Kammer des Landgerichts, als "politisch unbedenklich" eingeordnet. Derksen war als Beisitzer auch an vielen Urteilen von Nacht- und Nebelfällen beteiligt. Von Derksen ist zumindest ein mutiger Widerspruch gegen seinen Präsidenten Müller bekannt: er bestand in dem Fall der "Rübe ab"- Forderung seines Präsidenten tatsächlich darauf, dass erst einmal die Hauptverhandlung abgewartet werden müsse, bevor auf "Tod" entschieden werden könne. Er berichtigte Müller auch bezüglich der Sprache, indem er ihn darauf aufmerksam machte, dass es sich bei den zu Verurteilenden um Menschen handele. Das Schwurgericht Bonn vermutete allerdings im Prozess gegen Müller 1952 auf der Seite von Derksen "Erinnerungsfehler" und "Voreingenommenheit". Seine Aussagen wurden deshalb nicht gegen Müller verwandt (Vgl. FRIEDRICH 1983, S 240 und 254).

 

Staatsanwaltschaft Köln:

Anklagender Staatsanwalt:

Hermann Lewerenz

 

Staatsanwalt Hermann Lewerenz

Staatsanwalt ab 01.03.1937. Staatsanwalt Lewerenz ist bekannt geworden durch die Maßlosigkeit seiner Anschuldigungen in einem späteren Kriegswirtschaftsprozess gegen den in "privilegierter Mischehe" lebenden jüdischen Kaufmann Hermann H. Das geforderte und vom (milden!) Richter Murhard dekretierte Todesurteil beruhte dabei nicht mehr auf der eigentlichen Tat (Belieferung mit Textilien ohne Bezugscheine) sondern allein auf der Tatsache der Diffamierung als Jude. In der Ablehnung des von der Tochter gestellten Gnadenersuchs schreibt Staatsanwalt Lewerenz:

"Die lange Dauer der Straftaten, die dabei bewiesene Energie und der angerichtete außerordentliche Schaden kriegswirtschaftlicher Art, ferner die in den Urteilsgründen zutreffend gekennzeichneten Eigenschaften der Verlogenheit, Hinterhältigkeit und Gewissenslosigkeit lassen den Verurteilten als eine in seinem Judentum verwurzelte parasitäre Erscheinung erkennen, die trotz ihrer bisherigen Straflosigkeit immer eine schwere Gefahr für die Volksgemeinschaft darstellen wird." (zit. ROTH 2010, S. 361)


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